Jeder Mensch hat seine eigenen kleinen Rituale – vom morgendlichen Kaffee vor dem Frühstück über kleine Belohnungen nach erledigten Aufgaben bis hin zur nächtlichen Lektüre, um abschalten und anschließend besser einschlafen zu können. Oft fallen sie uns schon gar nicht mehr auf, sind kaum der Rede wert. Und doch möchten wir sie auch nicht missen, denn sie verleihen uns zusätzliche Struktur und geben uns immer wieder neue Kraftschübe für den Tag. Es sind bloß Kleinigkeiten – aber eben wichtige Kleinigkeiten.
Haben wir gerade einen geliebten Menschen verloren, sind da auch wieder Rituale, diesmal andere: Trauerfeier, Beisetzung, womöglich all dem vorausgehend eine offene Aufbahrung als moderne Form der Totenwache. Es gibt ein allgemeingültiges Verständnis davon, wie solche Momente auszusehen haben – jedenfalls im Großen. Im Kleinen dagegen ist Abschied wieder eine durch und durch persönliche Sache. Die „üblichen Gepflogenheiten“ können uns zwar eine Orientierung geben, doch sie dürfen keinesfalls Gesetz sein. Es ist wichtig, dass wir auch hier unsere eigenen Rituale finden, die sich für uns richtig anfühlen.
Wenn da gerade sonst nichts mehr ist, woran wir uns festhalten können, geben uns ebenjene Rituale unverzichtbaren Halt. Dabei ist es fast schon egal, ob wir eine großzügige Trauerfeier planen oder mit kleinen Gesten unsere Dankbarkeit und Liebe zeigen – entscheidend ist, dass wir uns Gedanken machen und dabei auf unser Herz hören. Nicht an Konventionen oder Grenzen denken, sondern einfach fühlen und machen. Und falls Sie kein Freund des Besonderen sind, ist das natürlich vollkommen in Ordnung. Ein regelmäßiger Besuch am Grab beispielsweise, mit Blumen und einigen Momenten des schweigenden Gedenkens, mag sich möglicherweise trivial anhören. Aber auch das ist ein Ritual. Ein kleines, möglicherweise kaum der Rede wert – doch so lange wir uns damit wohlfühlen, ist reden ja auch gar nicht notwendig.